Spannung zwischen Einkauf und Fachbereichen – was hilft?

Dieser Beitrag ist während meiner Tätigkeit als Consultant bei der Valora Consulting GmbH entstanden. Sie finden ihn zudem auf der Webseite www.valora-consulting.com.

Als Vergaberechts-Consultant und Rechtsanwältin mit Schwerpunkt IT-Recht und Vergaberecht werde ich häufig beauftragt, wenn eine komplizierte Beschaffung geplant wird oder wenn es bereits aufgrund von Fehlern oder unglücklichen Zufällen „brennt“.

Häufig sind die Katastrophen hausgemacht.

Immer wieder fällt mir auf, dass die einzelnen Einkaufsabteilungen und Fachbereiche kaum miteinander kommunizieren. Die Zusammenarbeit findet nur punktuell statt. Der Einkauf klagt, dass er einfach nur zur Bestellauslösung informiert wird, und die Fachbereiche beklagen sich über mangelnde Flexibilität, Unsicherheit, die Beschaffung qualitativ schlechter Lösungen und zu lange Wartezeiten.

Häufig wird die niedrige Akzeptanz der Einkaufsabteilung auf mangelhafte fachliche Kompetenzen geschoben. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass in den meisten Einkaufsabteilung gut geschulte Mitarbeiter sitzen, die zudem eher auffällig fleißig und gewissenhaft ihre Arbeit verrichten.

Woher kommt daher die falsche Wahrnehmung durch die Fachbereiche?

Ich fürchte, dass es auch in der Natur der Sache liegt. Die frei handelnden Fachbereiche werden plötzlich mit sehr starren Beschaffungsregelungen konfrontiert, die auch gerne mal mehr regeln als eigentlich notwendig.

Auch das Ziel des Einkaufs ist ein deutlich anderes; es sollte möglichst günstig beschafft werden. Darunter leidet jedoch auch gerne einmal die Qualität, insbesondere wenn keine ausreichende Abstimmung mit dem Fachbereich erfolgt.

Der Fachbereich wird zudem auch von Bietern umworben oder hat aufgrund von Erfahrung bereits seine Favoriten, die jedoch nicht zwingend in einem Vergabeverfahren als Sieger hervorgehen müssen. Hinzu kommt auch, dass die Fachbereiche sich nicht immer an die Regel halten, dass während einer Ausschreibung kein direkter Kontakt mit den Bietern aufgenommen werden darf.

Dazu kommt der zeitliche Druck; die Beschaffung hätte am besten eigentlich schon Vorgestern geschehen müssen. Wenn der Einkauf dann bei einem EU-weiten Verfahren auf die langen Mindestfristen hinweist und auf die Möglichkeit der Verfahrensaufhebung aufgrund von Mängeln in den Vergabeunterlagen, dann droht ein zusätzlicher Konflikt sowie Frustration.

Der Fachbereich fühlt sich deshalb eingeschränkt und “gegängelt“.

Was ist die Lösung?

Es klingt banal, aber die richtige interne Beschaffungsrichtlinie ist die beste Präventionsmaßnahme egal, ob es sich bei dem öffentlichen Auftraggeber um eine Behörde oder ein privates Unternehmen handelt. Sie sorgt für die notwendige Kommunikation und Transparenz. Aus ihr sollte sich die Zuständigkeiten der einzelnen Mitarbeiter direkt ergeben. Auf einem Blick sollte klar sein, wer mit wem wann zu kommunizieren hat und welche Aufgaben zu erledigen sind.

Außerdem sollte sie über die einzuhaltenden rechtlichen Gesetze und Vorschriften verständlich aufklären. Sie sollte beantworten, wann der Einkauf bestimmte Verfahren (z.B. Offenes Verfahren nach VgV) einzuhalten hat und wie das Verfahren abläuft.

Zudem sollte sich aus ihr ergeben, welche Dokumente erstellt werden müssen und ob Unterschriftenregelungen eingehalten werden müssen.

Zusätzlich kann eine Beschaffungsleitlinie für interne Transparenz sorgen. Aus dieser sollten sich die genauen Schritte des Einkaufs während des Beschaffungsvorgangs ergeben. Gute Beschaffungsleitlinien bieten zudem Antwort auf die häufigsten Probleme sowie Mustervorlagen (u.a. Protokollvorlage für Verhandlungen, Dokumentationsvorlage entsprechend den gesetzlichen Mindestvorgaben).

Wie erstellt man so eine Beschaffungsrichtlinie?

Der schwierigste Part ist eine Beschaffungsrichtlinie zu erstellen, die dann auch wirklich „gelebt“ wird.

Als erstes sollte man daher den IST-Zustand analysieren:

  • Wer ist aktuell zuständig?
  • Wer ist in der jeweiligen Abteilung Ansprechpartner?
  • Sollte man an der Zuständigkeit etwas ändern?
  • Sind Arbeitsabläufe klar definiert, oder kommt es zu Verwirrungen, weil niemand weiß, wie der korrekte Ablauf tatsächlich aussieht?
  • Wie wird miteinander kommuniziert?
  • Welche Programme werden intern genutzt?
  • Könnten andere Programme helfen?
  • Welche Probleme sind bereits aufgetreten?
  • Muss Personal geschult werden?

Es lohnt sich hier bereits im frühen Stadium einen externen Berater einzusetzen, da dieser interessensunabhängig vorgeht und damit eher Probleme erkennen kann, die bereits zum Normalzustand geworden sind.

Der externe Berater sollte Erfahrung mit öffentlichen Auftraggebern haben und auch über das notwendige juristische Fachwissen verfügen.

Danach muss ein SOLL-Zustand definiert werden. Hier ist es besonders wichtig, sich realistische Ziele zu setzen und die Mitarbeiter frühestmöglich miteinzubeziehen. Auch der Personal- oder Betriebsrat sollte informiert werden.

Am Ende empfiehlt es sich zudem die Beschaffungsrichtlinie in einem gemeinsamen Seminar von Einkauf und Fachabteilung offiziell einzuführen. Anhand typischer Beispiele sollte das Vorgehen durchgespielt werden.

Die Mitarbeiter müssen nicht alles im Detail verstehen, aber sie sollten danach wissen, wer ihnen helfen kann und wann sie diese Hilfe auch in Anspruch nehmen müssen.

Und mit am wichtigsten: Eine Beschaffungsrichtlinie sollte sich auch mitentwickeln! Sie muss daher regelmäßig überprüft werden.