Wann führt die Änderung der Vergabeunterlagen zum Ausschluss?

Dieser Beitrag ist während meiner Tätigkeit als Consultant bei der Valora Consulting GmbH entstanden. Sie finden ihn zudem auf der Webseite www.valora-consulting.com.

Seitdem der BGH mit seinem Grundsatzurteil vom 18. Juni 2019 (X ZR 86/17) für das Vergaberecht den Ausschlussgrund der „Änderung an den Vergabeunterlagen“ im Wesentlichen abgeschafft hat, konkretisiert sich die Rechtsprechung zu den §§ 53 Abs. 7, 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zunehmend.

Zuletzt hat das Schleswig-Holsteinische OLG, (Beschluss vom 12.11.2020 Az.: 54 Verg 2/20) entschieden, dass eine Änderung der Vergabeunterlagen nur dann vorliegt, wenn der Bieter manipulativ in die Vergabeunterlagen eingreift und so ein von den Vorgaben abweichendes Angebot einreicht, welches bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt.

Damit deckt sich das Urteil mit der herrschenden Rechtsprechung:

Eine Änderung der Vergabeunterlagen i. S. d. §§ 53 Abs. 7 S. 1, 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV liegt laut BGH (NZBau 2019, 661, 663, Rn. 26) vor, wenn der Bieter manipulativ in die Vergabeunterlagen eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt. Dazu ist keine körperliche Veränderung im Sinne einer Änderung der vorgegebenen Leistungsmengen oder -beschreibungen notwendig. Es reicht, dass der Bieter bei der Ausfüllung von Berechnungsschemata von den Vorgaben abweicht (u.a. OLG Schleswig, Beschluss vom 21.12.2018, 54 Verg 1/18). Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt zudem vor, wenn das Angebot von den Leistungsvorgaben in der Ausschreibung abweicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.11.2000, Verg 21/00).

Ein Ausschluss eines Angebots unter rein formalen Gesichtspunkten kommt jedoch nicht in Betracht. Vielmehr sind Unklarheiten im Wege der Aufklärung zu beseitigen (BGH, Urteil vom 18.06.2019, X ZR 86/17; BGH, Urteil vom 19.06.2018, X ZR 100/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.04.2020, Verg 30/19). Ausschließlich manipulative Eingriffe in die Vergabeunterlagen sollen sanktioniert werden. Nach § 15 Abs. 5 VgV darf die Vergabestelle die Aufklärung über Angebote verlangen, wenn sie Zweifel an dem Inhalt des Angebots hat, die durch Auslegung nicht ausgeräumt werden können. Die Aufklärung darf nur nicht zu einer Änderung des Angebots führen, weil darin eine unzulässige Nachverhandlung läge.

Praxistipp:

Auftraggeber sollten zunächst versuchen den Bieterwillen durch Auslegung zu ermitteln. Bei Zweifeln sollte der Auftraggeber das Angebot stets direkt aufklären, u.a. durch Aufklärungsgespräche. Insbesondere sollte der Auftraggeber aufklären, ob der Bieter durch Angaben in seinem Angebot tatsächlich die Änderung der Vergabeunterlagen beabsichtigt hatte. Erst nach Klärung des Sachverhaltes sollte der Auftraggeber den Bieter ausschließen. Es ist zudem gemäß § 8 VgV ein Vergabevermerk anzufertigen. Bieter sollten bei Unklarheiten Fragen frühestmöglich stellen sowie den Auftraggeber auf mögliche Fehler in den Vergabeunterlagen hinweisen. Es ist zudem weiterhin nicht zu empfehlen, die eigenen AGBs mitzuschicken.